Die Beliebtheitsskala: 10 Auswahlverfahren und ihre Akzeptanz bei Bewerbern

Arbeitsproben sind bei Bewerbern besonders beliebt, weil sie dabei ihre Fähigkeiten ganz direkt und sichtbar unter Beweis stellen und so die Entscheidung aktiv beeinflussen können. Dabei besteht ein erkennbarer Bezug zum späteren Job. Der Kandidat nimmt Arbeitsproben auch deshalb als fair wahr, weil jedem Bewerber dieselben Chancen geboten werden.

Ein Lebenslauf hat vor allem den Vorteil, dass er gebräuchlich ist. Kandidaten sind damit vertraut und können sich vorbereiten. Sie können sich selbst darstellen und erleben Kontrolle, weil sie in der Gestaltung völlig frei sind. Sie können nach individueller Einschätzung Aspekte hervorheben und andere vernachlässigen.

Kandidaten empfinden kognitive Fähigkeitstests als gerechte Verfahren, weil alle Teilnehmer dieselben Möglichkeiten haben. Der Bezug der getesteten Fähigkeiten zum Beruf ist dabei meistens deutlich.

Kognitive Tests haben den großen Vorteil, dass sie nach dem Prinzip „richtig oder falsch“ funktionieren: Hat ein Kandidat eine Frage faktisch richtig beantwortet, erhält er eine positive Bewertung für die Lösung der Aufgabe. Bei einer guten Performance beeinflussen sie damit das Ergebnis positiv.

Das persönliche Interview ist eine bekannte und akzeptierte Methode. Interviews sind nicht reproduzierbar und setzen Kandidaten deshalb weniger unter Druck: Sie müssen nicht fürchten, übermäßig analysiert zu werden wie bei Videointerviews. Der Kandidat hat außerdem weitestgehend Kontrolle über die Situation, in der er sich gut darstellen kann. Sachgerecht konstruierte Auswahlinterviews sind eines der validesten Instrumente der Personalauswahl überhaupt.

Persönlichkeitstests liegen im mittleren Akzeptanzbereich. Kandidaten wissen, dass sie ihre Persönlichkeit schwer anpassen oder ändern können. Deshalb erzeugt es einen gewissen Druck, wenn sie einem potentiellen Arbeitgeber ihre Persönlichkeit darstellen müssen. Persönlichkeitstests sind weniger beliebt als kognitive Tests, weil der Zusammenhang von Test und Job unklarer ist. Es ist außerdem oft nicht transparent, wie der Test ausgewertet wird - und welche Art von Persönlichkeit für die Stelle gefragt ist.

Weniger beliebt sind Fragebögen, die die Vergangenheit von Kandidaten abfragen. Im Gegensatz zum Lebenslauf empfinden Kandidaten bei konkreten Fragen zur eigenen Biografie hier wenig Gestaltungsspielraum. Nicht immer erkennen sie außerdem den konkreten Bezug zur neuen Stelle, und die Fragen erscheinen bisweilen willkürlich.

Zeitversetzte Videointerviews sind datenschutzrechtlich und persönlichkeitsrechtlich bedenklich, denn Kandidaten haben keine Kontrolle darüber, wer sich das Video ansieht, wie es verbreitet und wie lange es gespeichert wird. Sie wissen auch nicht, anhand welcher Kriterien es ausgewertet wird. Das Verfahren wirkt deshalb intransparent. Diese Art von Interview verletzt möglicherweise auch die Privatsphäre, wenn Details über das private Umfeld wie die eigene Wohnung preisgegeben werden, weil ein Kandidat während der Gesprächssituation zu Hause in seinem Wohnzimmer vor dem PC sitzt.

Die Analyse von Stimme und Sprache ist eine innovative, bisher allerdings noch unausgereifte Methode, aus der Persönlichkeitsmerkmale abgeleitet werden können. In welchem Ausmaß das tatsächlich funktioniert, ist wissenschaftlich noch nicht hinreichend erforscht. Weil den Kandidaten die Auswertung dabei verborgen bleibt, erscheint ihnen der Test willkürlich. Außerdem fällt es Kandidaten meist schwer, die Verbindung von Stimmanalyse und Beruf zu erkennen. Diese Methode ist stark kultur- und sprachabhängig und eignet sich nicht für kultur- und länderübergreifendes Recruiting in der internationalen Personalauswahl.

Das Verfahren, bei dem Personen aus dem Umfeld der Kandidaten befragt werden, gehört beispielsweise in den USA zum üblichen Bewerbungsprozess. Unter Kandidaten ist das Befragen von Referenzgebern jedoch oftmals unbeliebt, weil sie keine Kontrolle darüber haben, welche Fragen gestellt werden und wie die Kontaktpersonen antworten. Da es sich in der Regel um Fragen zur Vergangenheit handelt, vermissen Kandidaten außerdem einen direkten Bezug zum zukünftigen Job.

Testverfahren, bei denen Persönlichkeitsmerkmale aus der Handschrift der Kandidaten gelesen wird, werden in Deutschland nicht mehr eingesetzt. Kandidaten vermissen es nicht, denn bei diesem Testverfahren ist der Bezug zur Stelle für Kandidaten unklar und sie haben das Gefühl, keine Kontrolle über das Ergebnis zu haben. Das Verfahren erscheint damit willkürlich und ungerecht. Es gilt auch als wissenschaftlich überholt und für personaldiagnostische Zwecke als unvalide.


Wie Recruiter einen akzeptierten Auswahlprozess etablieren

Damit Kandidaten ein positives Bild von Testverfahren zur Feststellung der beruflichen Eignung bekommen, sollten Recruiter die folgenden Punkte beachten:

  • Die eingesetzten Verfahren sollten einen klaren Anforderungsbezug zum Job aufweisen. Es muss deutlich werden, was der Test mit dem Job zu tun hat.
  • Recruiter können die Möglichkeit nutzen, Bewerbern Alternativen aufzuzeigen und sie auf den passenden Job in ihrem Unternehmen zu matchen.

 

Dos für akzeptierte Auswahlverfahren

 Um Kandidaten nicht zu verschrecken, sollten … 

  • … Recruiter auf Sprachanalysen verzichten.
  • … Intelligenztests und berufsspezifische Fähigkeitstests eingesetzt werden.
  • … Interviews immer vor Ort und in Echtzeit stattfinden, weil die Auswertung fairer erscheint. Außerdem dringt der Recruiter bei einem Interview vor Ort nicht in die Privatsphäre des Kandidaten ein. Zeitversetzte Videointerviews sind datenschutz- und persönlichkeitsrechtlich bedenklich.
  • ... technisch mögliche Big-Data-Analysen vermieden werden. Kandidaten akzeptieren Testverfahren eher, wenn Firmen explizit kommunizieren, dass sie darauf verzichten.
  • … Persönlichkeitstests dosiert und nur bei klarem Anforderungsbezug eingesetzt werden.


Zwar sind psychologische Testverfahren weitestgehend akzeptiert, es gibt aber beliebte und weniger beliebte Verfahren. Damit die Testverfahren gut angenommen werden, sollten Recruiter daher darauf achten, dass Kandidaten im Test Kontrolle über ihre Performance erleben. Dass Testverfahren gerecht, also möglichst objektiv sind. Daran haben sowohl Kandidaten wie Unternehmen ein Interesse. Wir helfen Ihnen dabei, einen Eignungsprozess aufzusetzen, der Ihre Bewerber wertschätzend behandelt und Ihnen den am besten passenden Kandidaten liefert.


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