Gier - Entstehung  und Wirkung im Berufsleben

02/2022 | European Journal of Personality


Gier bezeichnet einen unstillbaren Drang nach mehr – vor allem nach mehr Geld. Toxische Formen der Gier benachteiligen Dritte oder die Allgemeinheit – seien es korrupte Politiker und Despoten, die sich persönlich bereichern oder unersättliche Investmentbanker, die ganze Kreditinstitute zum Einsturz bringen: Persönliche Gier ist für diese Verhaltensweisen eine zentrale Erklärungsvariable. Doch woher stammt die Gier an sich, was macht Menschen so gierig nach mehr und weshalb ist die Gier so unersättlich?

Ein Team von Psychologen verschiedener Universitäten unter Leitung von Prof. Dr. Patrick Mussel (FU Berlin) leistete nun unter Beteiligung der F&E-Abteilung von HR Diagnostics in einem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt einen Beitrag zu der Frage, wie sich Gier entwickelt. Erstmalig wurde eine längsschnittliche Untersuchung über vier verschiedene Messzeitpunkte zur individuellen Ausprägung des Konstrukts durchgeführt und zusätzlich der Einfluss von Einflussfaktoren auf die Entstehung von Gier als Persönlichkeitsmerkmal untersucht. „Core Beliefs“ die aufgrund persönlicher Erfahrungen gebildet werden, wirken sich demnach auf die Persönlichkeitsentwicklung aus. Core Beliefs sind „Glaubenssätze“ einer Person über sich selbst, andere Menschen und die Welt im Allgemeinen. Diese Glaubenssätze können bereits in frühester Kindheit erworben werden und wirken sich auf Persönlichkeit und Verhalten auch in späteren Lebensphasen aus, so auch auf die Ausprägung von Gier bzw. gierigem Verhalten. In der aktuellen Untersuchung wurde die Wirkung dieser Glaubenssätze auf die Entstehung von Gier an einer vierstelligen Stichprobe von jungen Erwachsenen untersucht, während diese zentrale Lebensveränderungen (=kritische Lebensereignisse) wie den Auszug aus dem Elternhaus, den Einstieg ins Studium oder das Berufsleben zu bewältigen hatten. Hierbei wurde festgestellt, dass negative Glaubenssätze, die als Resultat eines Mangels an bedingungsloser Liebe und Fürsorge der Eltern während der frühen Kindheit entstanden sein könnten, die spätere Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals Gier beeinflussen. Das Streben nach Geld könnte daher als Ersatzhandlung für die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse verstanden werden. Dass der eigentliche, frühkindliche Liebesmangel durch materielle Prosperität jedoch nicht behoben wird, könnte zentrale Erklärung für die Unersättlichkeit der Gier sein. In der Stichprobe zeigte sich, dass die Ausprägung des Merkmals Gier bei Menschen im Zeitverlauf grundsätzlich abnahm. Bei Menschen mit negativen Core Beliefs trat diese Abnahme hingegen in geringerem Umfang auf oder kehrte sich sogar um. Außerdem, deshalb war eine Beteiligung von HR Diagnostics an dieser Grundlagenforschung zur Persönlichkeitsentwicklung sinnvoll, konnte gezeigt werden, dass die Berufswahl u.a. vom Persönlichkeitsmerkmal Gier abhängt, da Menschen mit hoher Ausprägung des Merkmals Gier verstärkt Berufsfelder wählen, in denen schnell materieller Wohlstand zu erreichen ist.

Aus Sicht der Persönlichkeitsforschung liegt der Erkenntnisgewinn dieser Studie neben einem besseren Verständnis des psychologischen Konstrukts Gier darin, dass Core Beliefs einen wichtigen Ansatzpunkt für die Persönlichkeitsentwicklung allgemein darstellen.

Die Ergebnisse wurden in einem Beitrag von Patrick Mussel, Jantje de Vries, Maik Spengler, Andreas Frintrup, Matthias Ziegler und Johannes Hewig für das European Journal of Personality veröffentlicht: "The Development of Trait Greed during Young Adulthood: A Simultaneous Investigation of Environmental Effects and Negative Core Beliefs." 

Abstract in English:
Recent models of personality development have emphasized the role of the environment in terms of selection and socialization effects and their interaction. Our study provides partial evidence for these models and, crucially, extends these models by adding a person variable: Core beliefs, which are defined as mental representations of experiences that individuals have while pursuing need-fulfilling goals. Specifically, we report results from a longitudinal investigation of the development of trait greed across time. Based on data from the German Personality Panel, we analyzed data on 1,965 young adults on up to 4 occasions, spanning a period of more than 3 years. According to our results, negative core beliefs that have so far been proposed only in the clinical literature (e.g., being unloved or being insecure) contributed to the development of trait greed, indicating that striving for material goals might be a substitute for unmet needs in the past. Additionally, greedy individuals more often self-selected themselves into business-related environments, which presumably allow them to fulfill their greed-related need to earn a lot of money. Our results expose important mechanisms for trait greed development. Regarding personality development in general, core beliefs were identified as an important variable for future theory building.


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